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Früher war alles besser

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Gastbeitrag von Stephanie Rose von The Pell-Mell Pack

Ich freue mich sehr, dass ich diesen schönen Beitrag von Stephanie hier veröffentlichen darf.
Stephanie ist auch Heilpraktikerin und schreibt einen wunderschönen Blog über Gesundheit, Ernährung, Erziehung und Training, vor allem aber über ihr Leben mit ihren beiden Hunden.
Sehr lesenswert.
Du solltest unbedingt ab und zu mal reinschauen bei The Pell-Mell Pack.

Aber jetzt lassen wir Stephanie zu Wort kommen:


Das Ding mit der Leine

Ich ertappe mich auch manchmal bei dem Gedanken, dass früher alles besser war. Vielleicht eine Frage des Alters und ich sollte mir bald ein Kissen für die Fensterbank besorgen, damit ich die Nachbarn bequemer beobachten kann.

Trotzdem kommt es mir häufig so vor, als wäre das Leben als Hundehalter früher doch leichter gewesen. Wo ich jetzt die zwingende Leinenpflicht in unseren Wäldern (ganzjährig, nicht nur in der Brut- und Setzzeit) einhalte und selten, kurz und mit schlechtem Gewissen mal den Karabiner schnappen lasse, bin ich früher ganz ohne Leine mit unseren Hunden durch den Wald getobt. Anderen Hunden begegneten wir kaum. Und wenn doch, begrüßten sich Zwei- und Vierbeiner freudig.

Im gleichen Wald, durch den ich als Teenager tobte, wurden dieses Jahr schon zwei Rehe gerissen – wohl gemerkt von Hunden, nicht von Wölfen. Wenn ich durch das Viertel fahre, in dem ich aufwuchs, scheint inzwischen jeder Haushalt einen Hund zu haben. Früher waren wir die einzigen. Die Irren, mit diesen Plüschbären von Bobtails. Ich gehe die Straße entlang und weiche an mehreren Stellen Hundekot aus. Auf dieser Straße haben wir als Kinder alle zusammen gespielt. Heute, an einem Sonntag, ist da niemand. Es wirkt, als seien alle nur noch in ihren rückwärts gerichteten Gärten.

Vielleicht ist es kein Problem des Früher, sondern ein Problem der Menge. Wenn fast jeder Hunde hält, halten auch zwangsläufig immer mehr Idioten Hunde. Und dann muss es zu so drastischen Maßnahmen kommen, dass Schleswig-Holstein alle Wälder unter Naturschutz stellt und die grundsätzliche Leinenpflicht ausruft.


Das Ding mit der Auslastung

Früher gingen wir kurz mit unseren Hunden spazieren. Morgens etwas länger mein Großvater, abends meist schnell mein Vater. Wenn Barbie oder später Jungs und Partys nicht wichtiger waren, tobte ich ab und an nachmittags mit den Hunden durch den Wald. Ansonsten waren sie einfach dabei. Sie hatten keine Hobbys, keine Förderung, keine Auslastung. Unsere Hunde stromerten vom Haus in den Garten und zurück. Ich erinnere mich, wie tiefenentspannt sie einfach überall rumlagen. Aber waren sie wirklich entspannt? Waren sie nicht einfach nur zu Tode gelangweilt?

War früher alles besser? Ich weiß nicht, ob unsere Bobtails das so bestätigen würden. Rückblickend tun sie mir unendlich leid.

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Das Ding mit dem Futter

Wir machten uns keine Gedanken darum, was unsere Hunde fraßen. Bei uns gab es palettenweise diese fiesen gelben Loyal-Dosen. Ab und an Essenreste und, ganz neumodern, auch mal ein rohes Ei ins Futter. Später dann stiegen meine Eltern auf Hundewürste um, das sollte besser sein. Einmal in der Woche kam ein Hundefutterlieferant, ähnlich wie der Eismann oder Bofrostmann, und brachte kartonweise diese exorbitant teuren Würste, in denen gekochtes Fleisch war.

Unsere erste eigene Hündin bekam das auch und liebte das Futter. Als wir einmal keinen Vorrat mehr hatten, kaufte ich ihr die mit bekannten Loyal-Dosen – und sie verweigerte das Fressen. Ich kann es ihr nicht verübeln, das Zeugs stank wie Hölle. Schnell fuhren wir zum Brathuhnwagen vor dem Supermarkt und teilten uns ein Hühnchen mit ihr.

Als der Wurstmann aufhörte, stiegen wir auf Trockenfutter um. Erst Bozita – das ist schwedisch, da sind die Gesetze strenger und das ist total gesund. Dann folgte irgendwann Josera. Wenn man da Wasser zufügte bildete sich eine schöne Soße. Fast wie das, was meine Mutter früher als Bratensoße anrührte.

War das leichter? Definitiv. War es besser? Ich weiß ja nicht. Paula, die letztes Jahr gestorben ist, war der erste alte Hund, den ich erleben durfte. Ansonsten sind all unsere Hunde seit Anfang der 1980er Jahre zu früh gegangen, haben den Bogen des Lebens nicht ausgekostet. Ein paar aufgrund innerer Krankheiten, die meisten starben an Krebs.

In einer Reportage über Hundefutter auf Netflix lernte ich vor Kurzem, dass wir im Zuge des zweiten Weltkrieges getrocknetes Hundefutter „erfunden“ haben, da das Material für Dosen für die Kriegsindustrie benötigt wurde. Die Hersteller brauchten ein Verfahren, das Hundefutter lange ohne „Einkochen“ haltbar macht. Seit über siebzig Jahren verfüttern wir nun kriegsbedingtes Notfutter und wundern uns, dass in dehydriertem Futter keine Lebensenergie sondern nur noch pure Kalorien sind.

Schon Juliette de Baïracli Levy warnte in ihrem Buch „Puppy Rearing by Natural Methods“ von 1948 vor dem dehydrierten Futter. In ihrem Buch „The Complete Herbal Handbook for the Dog and Cat“ ging sie dann noch tiefer auf die Wichtigkeit von lebensspendendem Futter für unsere Hunde ein. Zusammengefasst habe ich das in meinem Artikel zu ihrem Natural Rearing.

Früher haben wir uns genauso wie unsere Hunde von Fertigfutter ernährt. Ich zumindest bin trotz einer kochbegeisterten Mutter mit Instant-Zitronentee, Mondamin und Fondor aufgewachsen. Inzwischen weiß wohl auch der letzte, wie schädlich industrielle Fertignahrung ist und dass wir optimalerweise unsere Nahrung selbst aus frischen Zutaten zubereiten. Und auch in der Welt der Hundehalter hält das immer mehr Einzug. Nahrung ist Leben – und nicht nur Fertigpampenexistenz.


Das Ding mit dem Tierarzt

Wenn unsere Hunde früher etwas hatten, gingen wir zu dem einen örtlichen Tierarzt. Viel gemacht wurde nicht. Jedes Jahr natürlich geimpft und wenn sie krank waren, gab es per se mal eine Antibiotikaspritze, vielleicht noch etwas Cortison.

Das war leicht, da musste keiner nachdenken, ob das nun richtig oder die beste Behandlung war. Heutzutage überfordern wir uns mit den Möglichkeiten und Informationen. Jeder kann googeln, in Gruppen oder Foren nachfragen und hat nicht selten schon eine fertige Diagnose in der Hand, wenn er zum Tierarzt geht.

Aber wünsche ich mir deshalb die Zeit der Desinformation, die Zeit des blinden Vertrauens zurück? Wenn mein Hund krank ist, bin ich froh, Fachleute im Umkreis zu finden. Seien es spezialisierte Tierärzte oder so neumoderner Kram wie Tierheilpraktiker.


Das Ding mit der Erziehung

Ehrlich, ich habe keine Ahnung wer und wie damals unsere Hunde erzogen hat. Irgendwie lief das nebenbei. Viel können mussten sie nicht. Nicht an der Leine ziehen, setz dich, mach mal Platz. Das war es auch schon. Es schien, als sei das genetisch einprogrammiert, da musste man nicht viel tun. Einen Hundeplatz habe ich erste Ende der 1990er das erste Mal gesehen und mit Schreck wieder verlassen. Zu grausam erschien mir der militärische Drill dieser Hunde dort.

Wir verschwendeten keinen Gedanken an Lerntheorien. Der Hund musste sich uns anpassen. Ob sich Enki und Luna in diese Zeit zurückwünschen, würden sie sie denn kennen?


Ist heute alles besser?

Wir beschäftigen uns mit Lerntheorien, mit einer möglichst artgerechten Auslastung, mit dem besten Futter und mit alternativen Heilmethoden oder den neusten medizinischen Fortschritten. Nicht selten schießen wir dabei über das Ziel hinaus und bringen unsere Hunde an den Rand der Überforderung und darüber hinaus. Wir wissen viel und wollen noch viel mehr wissen. Selbstgerechtes Herausposaunen der einzigen Wahrheit wechselt sich im Sekundentakt mit der tiefsten Verunsicherung ab. Und warum? Weil wir alle unsere Hunde lieben, wollen, dass es ihnen gut geht und manchmal an der Verantwortung für ein anderes Lebewesen zu zerbrechen drohen.

In dem riesigen Meer der richtigen Hundeschule, des richtigen Hundesports, des richtigen Futters und der richtigen Spielsachen, Leinen und Halsbänder – Entschuldigung, Geschirre – verlieren wir uns.


The best is yet to come

Ich bin mir sicher, dass früher nichts besser war als heute, aber dass wir gerade heute mit all dem Wissen die Weichen für das Morgen stellen. Morgen ist alles besser.

Mehr und mehr ebbt die Forderung nach stündlicher Auslastung und dressiertem Hund ab. Immer häufiger lesen wir Plädoyers für das Bauchgefühl in der Erziehung. Immer häufiger treffen wir auf wirklich gutes, mit Herzblut zubereitetes Fertigfutter oder lernen, es wieder selbst zuzubereiten. Für uns und unseren Hund. Wir bekommen immer mehr Einblick, wie Hund funktioniert, denkt, lernt, fühlt. Was er sich schon seit Jahren von uns als Partner auf Augenhöhe wünscht. Immer mehr von uns lernen zuzuhören, was unser geliebter vierbeiniger Partner uns sagt. Und die sind als Vorbilder präsent mit ihren Hunden unterwegs. Frauen wie Katharina von der Leyen oder Ursula Löckerhoff, von denen wir den entspannten Umgang mit Hunden lernen können.
Ich bin froh genau jetzt mit meinen Hunden zu leben.

Übrigens, wenn du dich dafür interessierst, wie es gaaanz früher mit Hund war, lege ich Dir diesen Artikel des Tagesspiegel ans Herz. In dem wird die Geschichte der Hundehaltung in Berlin beschrieben. Bitte sage mir, wenn Du darin eine bessere Zeit für Hunde und Halter als die jetzige entdeckst. Ich habe keine gefunden, in der ich lieber gelebt hätte.

Das war es erstmal von Stephanie


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